Gartenlust und -frust

Um keine Irrtümer aufkommen zu lassen: Ich liebe meinen Garten. Ich liebe den Geruch von Pflanzen und Erde nach einem Regenguss. Ich liebe schön gestaltete und gepflegte Gärten.

Es mangelt mir auch nicht an Literatur. Viele Bücher und Zeitschriften haben sich im Lauf der Jahre angesammelt. Sie sollen dazu dienen, Tipps und Anregungen zu bekommen. Nur die Umsetzung fällt mir schwer.
 
Nun ist wieder Frühjahr, die Sonne lockt und die Natur erwacht zu neuem Leben. Endlich habe ich mich dazu aufgerafft, die nötige Gartenarbeit zu erledigen. Ein Blick rundum löst erst einmal Freude aus: Die ersten Tulpen fangen an zu blühen, Stauden zeigen helles grün und Hyazinthen verströmen ihren Duft.
Der zweite Blick zeigt etwas anderes. Einige Stellen in meinem Garten sind zu Brennnessel-Farmen mutiert, Löwenzahn und andere undefinierbare Gewächse machen sich breit. Das, was eigentlich Rasen sein soll, hat Ähnlichkeit mit einer löchrigen Wiese. Mein Mann ist immer der Auffassung, dass alles in der Natur seine Lebensberechtigung hat und es kein Unkraut gibt, deshalb gibt es auch keinen Grund, irgend etwas heraus zu rupfen.
 
Meine Ansicht und die der meisten Menschen, die ich kenne, ist eine andere. Allerdings möchte ich keine chemischen Keulen einsetzen, um schöne Pflanzen zu haben. Also mache ich mich ans Werk, um Unkraut zu jäten. „Verdammt noch mal, wie können viele mit diesen vertrackten Gartenhandschuhen umgehen?“ meckere ich vor mich hin, während ich den Brennnesseln zu Leibe rücke. Die erweisen sich als überraschend hartnäckig, brennen sogar durch die Handschuhe und haben Wurzeln, die kein Ende nehmen. Ich frage mich, warum alles, was ich nicht haben will, gedeiht und sich munter entfaltet. In dem Moment entdecke ich, dass mein geliebter Lavendel den langen, kalten Winter nicht überstanden hat und sehe meine These bestätigt.
 
Wutschnaubend wende ich mich irgendwelchen undefinierbaren Gewächsen zu, hoch motiviert, alles auszurotten, was ich nicht eingepflanzt habe, als es klingelt und eine Bekannte vorbei kommt. Sie schaut sich um, ich entdecke leicht hoch gezogene Augenbrauen und eine etwas gerümpfte Nase: „Na, da hast Du ja noch Arbeit vor Dir!“ Danke, das baut mich auf. Sie beginnt zu erzählen. „Bei mir ist alles fertig, wir haben neu gepflanzt und alles ist aufgeräumt. Ehe ich es verhindern kann, beginnt sie ihren Rundgang.
 
Sie plaudert: „Weißt Du, Alfred hat letzte Woche unseren Rasen vertikutiert. Das war ja nicht wirklich nötig, wir haben ja kein Unkraut und die Saat für unseren englischen Rasen hat letztes Jahr ein Vermögen gekostet, aber was sein muss, muss sein..…..Sag mal, Du bist aber nicht allzu oft in Deinem Garten, oder?“ Die Anspielung hat gesessen!
Schon geht es weiter: „Wir haben ja nur Terracotta-Töpfe, das sieht so schön südländisch aus!“ Ein missbilligender Blick streift meine billigen Plastiktöpfe. Ich schnappe mir meine Gießkanne, um Arbeitseifer zu demonstrieren. Sie hat sich mühsam im Griff, um nicht die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen. „Wir haben jetzt ein Bewässerungssystem. High-End sage ich Dir, Du brauchst nur die Zeitschaltuhr programmieren und alles macht sich wie von selbst. Und das ist gar nicht soooo teuer!“ Sie schwenkt ihre sorgfältig manikürten Fingernägel vor meiner Nase hin und her. „Sei mir nicht böse, ich muss jetzt gehen, ich halte Dich ja von der Arbeit ab. Viel Spaß dann noch!“
 
Weg ist sie, was ich nicht bedauere. Ich sehe mich um, schmeiße mich in meinen etwas altersschwachen Gartenstuhl und beschließe, den Rest des Tages in der Sonne zu genießen, dem Zwitschern der Vögel zu lauschen und ein Buch zu lesen. Übrigens, in Zukunft mache ich nicht mehr bei jedem Klingeln auf!
 
Eure Sylvia

 

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