Es muss Liebe sein

Agnes ist schon etwas Besonderes: Sie ist eine Frau Mitte 60, die mit dicken Schichten von Make-up und noch mehr Schminke für ihre Begriffe wieder auf die 30 zugeht. Leider ist sie ziemlich alleine mit ihrer Meinung.

Was sie aber nicht daran hindert, ständig auf Männerfang zu gehen und sich selbst unwiderstehlich zu finden. Flirtend schreitet sie durchs Leben. Aber nicht jeder Versuch kommt an. Neulich auf dem Markt bestellte sie sich an einem Imbiss einen Kaffee und ein Würstchen, begab sich an einen Stehtisch und sondierte die Männerwelt. Einer dieser Spezies beging einen fatalen Fehler. Er wollte nett sein. Was sich darin äußerte, dass er Agnes den Kaffee und die Wurst an ihren Tisch brachte. Agnes zog alle Register und sagte mit gekonntem Augenaufschlag zu ihm: „Darf ich das als Einladung auffassen?“ Durfte sie nicht und der Herr ergriff die Flucht.

Auch im Park knüpft sie ständig neue Kontakte. Sitzt ein Mann allein auf der Bank, walzt sie auf ihn zu und spricht ihn an. „Bei mir muss eine Gardinenstange angebracht werden, hätten Sie nicht zufällig Zeit? Ich mache auch Kohlrouladen!“ Die Trefferrate für diese Dates bewegt sich fast bei Null.

Einmal war ein Mann in ihre Venusfalle getappt und folgt ihr in ihre Behausung. Wohnung wäre zu hoch gegriffen, weil Agnes jeden Quadratzentimeter nutzt, um irgendwelche undefinierbaren Schätze zu präsentieren. Ihr neuestes Schnäppchen war ein Ohrensessel, der nur zur Massage der Nutzer dienen konnte, weil jede Sprungfeder zu spüren war. Aber ich will nicht abschweifen. Besagter Mann, ich nenne ihn Alfred, kam also zu Agnes zu Besuch. Er durfte sich setzen, aber nur, um die Regeln (das heißt ihre Regeln) genannt zu bekommen:

Agnes machte ihm klar, dass er – da er ja nun ihr neuer Freund ist – einen Anteil an Miete und Strom zu tragen hat. Das Bett sei erneuerungsbedürftig, da ja auf läppischen 90 cm Breite nicht wirklich Freude für zwei aufkommen könne und, um das gleich klarzustellen: Sie kocht Kaffee und er bringt den Kuchen mit.
Das wiederum erstickte das zarte Pflänzchen der Zuneigung im Kern, was Agnes wieder einmal darin bestätigte, dass alle Männer nur das Eine wollen.

Jetzt endlich scheint sie aber den Mann ihres Lebens gefunden zu haben. Nach ihren Erzählungen thront sie nun wie die Königin auf ihrem Ohrensessel und erteilt Anweisungen, was ihr Liebster zu erledigen hat. Sein Geld ist auch ihres und ihr Geld geht ihn gar nichts an.

Sie ist die Herrin über alle Fernbedienungen, kocht zweimal die Woche Kohlrouladen und hört schon die Hochzeitsglocken läuten. Schauen wir mal, wie schnell der Auserkorene das Weite sucht!

Eure Sylvia

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